Unna
Wie kann man den Himmel auf die Erde holen? In Unna lässt sich diese Erfahrung hautnah erleben: Seit 2009 steht dort Third Breath, ein begehbares Kunstwerk des amerikanischen Lichtkünstlers James Turrell. Geradezu wehrhaft mutet das Gebäude aus Beton an, das sich unmittelbar neben dem Zentrum für Internationale Lichtkunst in der ehemaligen Lindenbrauerei fast 14 Meter hoch erhebt.
Die zweistöckige Architektur birgt im Inneren eine Installation aus zwei übereinanderliegenden Wahrnehmungsräumen. Im Rahmen einer Führung kann man das Gebäude betreten, das unterirdisch mit dem Zentrum für Internationale Lichtkunst verbunden ist. Von dort gelangt der Besucher zunächst in den dunklen Raum einer Camera obscura, die auf einer kreisrunden weißen Fläche am Boden den Himmel spiegelt. Treppen führen nach oben zum sogenannten Skyspace, wo sich ein weißes Kuppeldach mit einem Loch in der Decke zum Himmel öffnet. Wie ein Bild wird der Himmel künstlich gerahmt und scheint förmlich auf dem Raum zu liegen – sein Licht wird Teil der Architektur, wird physisch erlebbar und hat die Wirkung eines Trompe-l’oeil. Wenn es dämmert, beginnt im Inneren des Skyspace ein sanftes Spiel mit künstlichem Licht. Dabei lässt sich im vergleichenden Schauen zwischen Kunst- und Himmelslicht immer wieder das Phänomen der Komplementärfarben erleben. Die Natur wird Teil der Kunst – ein sinnliches Schauspiel in einem geradezu feierlichen Raum, der das Licht wie eine sphärische Skulptur modelliert. Im Laufe seiner langen Karriere hat James Turrell eine Vielzahl von Skyspaces gebaut, aber die architektonische Kombination mit einer gebauten Camera obscura wie in Unna ist einzigartig. Opus magnum für alle Skyspaces ist das Roden Crater-Projekt: Im Inneren eines erloschenen Vulkans in der Wüste von Arizona baut James Turrell seit 1974 an einem natürlichen Himmelsobservatorium. Die zum Himmel geöffneten Räume sind auf das kosmologische System ausgerichtet. Im sogenannten »Sonne- und Mond-Raum«, einem runden, kathedralenähnlichen Saal tief unter der Erde, steht zentral ein etwa fünf Meter hoher Monolith aus weißem Stein. Er dient als Projektionsfläche für die Sonne, die zweimal im Jahr zur Sonnenwende durch eine Öffnung im Kraterbecken direkt auf den Stein scheint. Nur alle 18,6 Jahre kommt der Mond bei seiner unregelmäßigen Himmelswanderung in eine Position, in der sein Abbild auf die Rückseite des Monoliths projiziert wird. Eine zweite Tunnelöffnung wirkt dabei als riesige Lochkamera. Licht ist das Medium von James Turrell, und er möchte es uns in seiner puren physischen Präsenz vor Augen führen: »Wir denken immer, dass Licht erhellt. Und wir nutzen Licht, damit es andere Dinge zum Strahlen bringt, aber für mich besteht das Einzigartige darin, das Licht selbst zu offenbaren. Und dafür möchte ich ihm Körperlichkeit, Dinglichkeit geben.«
Mit einem geradezu analytischen Interesse hat sich Turrell der Erforschung von Licht verschrieben. In seinen Installationen und Environments bietet sich dem Betrachter stets ein beeindruckendes Zusammenspiel von Natur, Architektur und Licht. Dabei behandelt Turrell das Licht wie einen plastischen Werkstoff, wie ein Material von greifbarer Qualität. Licht, diese allgegenwärtige und doch nicht fassbare Materie, wird in seinen Rauminszenierungen körperlich spürbar. Die Werke sind sinnliche, begehbare Skulpturen, darauf ausgerichtet, bewusste Erfahrungen mit den Eigenschaften des Lichts zu machen. Wie alle seine Installationen ist auch Third Breath eine eindrucksvolle Schule des Sehens.
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