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Heike Mutter und Ulrich Genth

Tiger & Turtle – Magic Mountain

Duisburg

Thomas Mayer, Neuss © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Die Geschichte der Kunst im öffentlichen Raum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich im Ruhrgebiet beispielhaft verfolgen. In einer Region, in der es bis in die 1960er-Jahre keine Universitäten gab, hat die öffentlich zugängliche Kunst im Stadtraum einen bildungspolitischen Auftrag. Im Sinne der legendären Forderung Hilmar Hoffmanns nach einer »Kunst für alle« sollte gerade die Kunst im öffentlichen Raum Grenzen überwinden und sich dem allgemeinen Publikum öffnen.
Dass bildungspolitische Ideale und künstlerische Produktion durchaus unterschiedliche Wege gehen, ist in allen bundesdeutschen Innenstädten und so auch im Ruhrgebiet zu beobachten. Kommentare des Publikums, unter anderem in Form von Graffitis auf zahlreichen Werken der abstrakten Kunst, zeigen, dass heute, nach mehr als 50 Jahren, ein Umdenken in der Platzierung von Kunst im Stadtraum nötig ist. Neue künstlerische Produktionen für den urbanen Raum analysieren ihre Aufgabe im sozialen und politischen Gefüge der Stadtgesellschaft sehr genau. Sie sind als Kommentar der Erwartungshaltung eines Publikums zu lesen, das die Werke aus höchst unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Heike Mutter und Ulrich Genth haben mit ihrer Großskulptur Tiger & Turtle – Magic Mountain ein Werk geschaffen, das mehrfache Lesarten anbietet und seine Rolle als Kunst im postindustriellen Raum kommentiert. Als Bild und Kampagnenmotiv der Kulturhauptstadt RUHR.2010 hatte sich die imposante »Achterbahn« mit ihren eleganten, silbrig schimmernden Windungen schon eingeprägt, bevor sie überhaupt fertiggestellt war. Nach ihrer feierlichen Eröffnung Ende 2011 kommuniziert sich das Bild der 20 Meter hohen Skulptur als globales Motiv im Internet, sodass Wanheim-Angerhausen, ein Stadtteil im Süden Duisburgs, inzwischen von mehr als 150 000 Menschen aus vielen Teilen der Welt entdeckt wurde. Klug operieren Mutter und Genth mit unserer Sehnsucht nach identitätsstiftenden Monumenten in einer Region, deren Bewohner gelernt haben, sich ständig neu zu erfinden. Errichtet auf einem Hügel hoch belasteter Erde aus der Produktion der 2006 demontierten Metallhütte, spielt die Form der Achterbahn als Inbegriff der Freizeitindustrie mit ihrer neuen Bestimmung. Dabei erfüllt sie nicht alle Verheißungen, die ihr Bild erweckt. Anstelle rasanter Beschleunigung, die sie aus der Ferne verspricht, erfahren die Besucher eine körperliche Entschleunigung: Langsam erklimmen sie die Stufen der steilen Wege. Die Skulptur jongliert mit ihrem ontologischen Status: Sie hat die Form einer Achterbahn und ist doch keine. Sie ist eine autonome Skulptur, und zugleich ist sie keine, denn sie ist funktional, berührbar und begehbar. Damit reagiert sie auf ein Defizit des heutigen Stadtraums, der nicht mehr vor allem Ort des Austausches und der Begegnung, sondern oft nur noch ein »Raum des Transits« ist (Richard Sennett). In diesen ökologisch devastierten Raum schreiben Mutter und Genth einen neuen poetischen Nutzungsmodus ein: Die Menschen, die die gewundenen Wege gehen, bewegen sich in einer noch nicht erprobten Weise: Sie durchmessen den Raum in seinen drei Dimensionen, sie wechseln Höhen, Perspektiven und Richtungen. Sie treffen sich und verändern ihren Standpunkt ständig. Keine Stelle lädt zum Stillstand ein. Es entstehen flüchtige Beziehungen und temporäre Gemeinschaften; nur ein Ort bleibt unerreichbar – der Looping – die Utopie einer anderen und vielleicht besseren Welt.

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